Lange Leitung? - Portrait Uwe Gruhl von der SG Rodheim
Von wegen „lange Leitung“. Auch, wenn Uwe Gruhl ein Sinnesorgan nicht einsetzen kann – er kann nicht hören – spielt er seit Jahrzehnten erfolgreich Volleyball und das auch in ganz „normalen“ Männermannschaften.
Jeder Volleyballer weiß, dass es im Volleyball im Training oder während des Spiels immer „laut“ zugeht. Im Training werden Übungen erklärt, im Spiel spricht der Steller mit seinen Angreifern und die Annahme- und Abwehrspieler verständigen sich auch mit entsprechenden Rufen. Es wird also viel „gesprochen“ und „gehört“ auf dem Volleyballfeld.
Uwe ist da die große Ausnahme. Er ist nämlich gehörlos. Da herrscht auf dem Spielfeld im wahrsten Sinne „Funkstille“. Das hat Uwe, nachdem er zuvor bereits als Leichtathlet, Basket- und Faustballer unterwegs war, aber nicht abgeschreckt, mit 19 Jahren - anno 1975 - auch mit Volleyball anzufangen. Zunächst spielte er beim GTSV Frankfurt, doch nur einmal Training in der Woche war ihm zu wenig. Deshalb schloss er sich der SG Rodheim an. Dort fungierte sein damaliger Sportlehrer an der Gehörlosenschule in Friedberg, Klaus Raschke, als Trainer. Da Uwe talentiert war und mit Klaus einen erfahrenen Trainer zur Seite hatte, schaffte er es als erster und bisher einziger Gehörlose bis in die 2. Mannschaft der SG Rodheim. Außerdem spielte Uwe noch sehr erfolgreich in anderen Gehörlosen-Vereinen. Unter anderem errang er mit dem GSV Kassel viermal die deutsche Vizemeisterschaft. Während dieser Zeit hatte Uwe aber auch noch eine andere sportliche Liebe für sich entdeckt, das Tauchen. Er machte seinen Tauchschein und übt diesen Sport immer noch leidenschaftlich gerne in seiner Freizeit aus.
Doch zurück zum Volleyball:
Sein Talent ermöglichte es Uwe im deutschen Gehörlosen Sportverband Karriere zu machen. Er brachte es dort über die Hessenauswahl sogar bis zum Nationalspieler.
Zwischen 1980 – 1993 nahm Uwe vier Mal an den Weltspielen in Köln, Los Angeles, Christchurch und Sofia teil. Bei der Europameisterschaft 1994 in Bozen wurde Uwe mit der deutschen Mannschaft Vize-Europameister.
Krankheitsbedingt musste Uwe zur Jahrtausendwende dann leider seinen geliebten „aktiven“ Volleyballsport aufgeben. Erst 2015 wagte er einen Neustart. Da war es so wie mit dem Fahrradfahren. Wer es einmal (gut) gekonnt hat, der verlernt es nicht. Uwe stieg in der Halle und im Sand wieder ein. Im Ligabetrieb spielt er seitdem in der 4. Mannschaft der SG Rodheim mit, bei den Senioren gab es mit den „alten Herren“ der SG Rodheim in 2017 und 2018 in unterschiedlichen Altersklassen dreimal die hessische Meisterschaft zu feiern.
Sicherlich ein sportliches Sahnehäubchen ist die im letzten Jahr errungene deutsche Senioren-Meisterschaft im Beachen bei den Gehörlosen.
Außerdem spielt er seit 2015 mit einer komplett gehörlosen Mannschaft des GTSV Frankfurt in der Männerrunde des Breiten- und Freizeitsportbereichs (BFS) des Bezirks West mit. Untereinander wird dort in der Gebärdensprache, mit Augenkontakte, Gesichtsmimik und Körpersprache kommuniziert. Mit dem Schiedsgericht läuft die Verständigung über die Zeichensprache und natürlich über die Volleyballregeln.
Beim VFL Goldstein fungierte Uwe zwischen 1992-1997 als Volleyballtrainer für eine der Herrenmannschaften. Dafür machte er 1995 seinen Trainerschein. Ergebnis: Uwe ist mit seiner „Truppe“ zweimal aufgestiegen bis in die Bezirksliga! Die Verständigung untereinander erfolgte über Ganzkörpermimik, ein gutes „Mundbild“ und über den Augenkontakt.
Uwe ist aber nicht nur weiter als Volleyball-Trainer und Spieler aktiv unterwegs, er nimmt auch Aufgaben als Verbands- und Vereinsfunktionär im hessischen Gehörlosen Sportverband wahr. Seit 2017 kümmert er sich im Verband um die Sportentwicklung und im GTSV Frankfurt bekleidet er das Amt des Vizepräsidenten Sport.
Sein ehemaliger Lehrer Klaus Raschke beschreibt Uwe als echten Teamplayer, der auch immer gut drauf ist. Als Mannschaftskollege von Uwe bei den Senioren kann ich dies nur voll und ganz bestätigen.
Weiter so, Uwe!!